Das sind die AfD-Direktkandidaten zur Landtagswahl 2022

Zur Landtagswahl 2022 hat die AfD in den drei Wahlbezirken der Stadt Münster auch Direktkandidaten aufgestellt. Es handelt sich bei den Kandidaten um teils langjährig bekannte Gesichter, die allerdings in den vergangenen Jahren eher den weniger erfolgreichen hinteren Reihen der Partei zuzurechnen gewesen sind.


Kandidat im Wahlkreis 83 Münster I – Steinfurt IV: Helmut Birke

Helmut Birke (l.), 2015 auf einer Kundgebung der "Hooligans gegen Salafisten" in Wuppertal
Helmut Birke (l.), 2015 auf einer Kundgebung der „Hooligans gegen Salafisten“ in Wuppertal

Als am 28. Mai 2013 der AfD-Kreisverband in einem Landgasthof in Münster-Kinderhaus gegründet wurde, war es Helmut Birke, der zum ersten Sprecher gewählt wurde. Er behielt diesen Posten bis zur Landtagswahl 2017 inne, bei der seine Partei in Münster ihr landesweit schlechtestes Ergebnis erzielte (Münster-Nord 3,5%). Bei der darauf folgenden Neuwahl des Vorstands musste er seinen Posten für Martin Schiller räumen. Zu seinem Nachfolger entwickelte er ein feindseliges Verhältnis und ließ kaum eine Gelegenheit aus, gegen ihn Stimmung zu machen. Dazu bediente er sich vor allem des Bezirksverbands Münster, dessen Vorstand er angehörte. Höhepunkt war 2019 ein Antrag des Bezirksverbands, der von Schiller forderte, von sämtlichen AfD-Ämtern zurückzutreten, weil dieser wegen einer Körperverletzung verurteilt worden war. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen, hatte aber nur einen appellativen Charakter, da der Bezirksverband gegenüber dem Kreisverband nicht weisungsbefugt ist.

Neben persönlichen Animositäten und Machtstreben spielten in diesem Konflikt auch die Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen parteiinternen Lagern eine Rolle. Im Bezirksverband Münster versammelten sich die Anhänger*innen von Björn Höcke, so dass hier eine Bastion des „Flügels“ entstand. Schiller hingegen gehörte der innerparteilichen Fraktion der selbsternannten „Gemäßigten“ an. Beide Fraktionen fochten einen offenen Machtkampf um den Einfluss in der AfD aus. Im innerparteilichen Streit ergriff Birke etwa öffentlich Partei für Andreas Kalbitz, als dessen Vergangenheit mit der Neonazi-Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ schlussendlich zu einem Parteiausschlussverfahren führte. Er kritisierte die Taktik, sich gemäßigt zu geben und hielt den entsprechenden AfD-Mitgliedern ihren „Irrglauben“ vor, „man müsse nur ein bißchen brav sein und sich politisch ‚benehmen‘, dann würde man von der Gesellschaft halbwegs akzeptiert.“ Den „Flügel“-dominierten Ostverbänden bescheinigte er hingegen „großartige Erfolge eingefahren“ zu haben. Er habe nichts dagegen, wenn „man den ein oder anderen Spalter (…) aussschwitzen (sic!)“ würde. 2021 trat Schiller aus der AfD aus und viele seiner Gefolgsleute taten es ihm gleich. Für Helmut Birke wurde nunmehr wieder Platz im Kreisvorstand, dem er nun als stellvertretender Sprecher angehört.

Über Birkes politische Biografie vor seiner Zeit in der AfD ist bekannt, dass er sich nach eigenen Angaben zeitweise bei den „Freien Wähler“ sowie für die rechtspopulistische Partei „Die Freiheit“ engagierte. In seiner Selbstdarstellung auf der AfD-Internetseite gibt er zudem an, in „einigen Bürgerinitiativen“ aktiv gewesen zu sein. Bekannt ist seine Betätigung für die „Bürgerinitiative Pro Hindenburgplatz“, die im März 2012 von rechtsgerichteten CDU-Mitgliedern gegründet worden war und sich gegen die geplante Umbenennung des heutigen Schlossplatzes aussprach. In gewisser Weise bediente die BI eine Erzählung, wie sie später für die AfD typisch werden sollte: Die Umbenennung wurde als Ausdruck moralisierenden Bevormundung seitens angeblicher grün-linker Eliten beklagt, die sich nicht mit der Nation identifizieren könnten.

Kandidat im Wahlkreis 84 Münster II: Richard Mol

Auch Richard Mol, der als Beruf „Privatier“ angibt, zählt zu denjenigen Personen der AfD Münster, die von Anfang mit dabei waren und geblieben sind. Bereits 2014 rückte er als stellvertretender Sprecher in den Kreisverbandsvorstand auf. Nach der Kommunalwahl im selben Jahr konnte er als einer von zwei AfD-Vertretern in den Rat der Stadt Münster einziehen und fungierte als Sprecher der Ratsgruppe. Doch bereits im September 2014 trat er von diesem Amt zurück und schied wenig später aus der Ratsgruppe aus. Vorangegangen war eine Rede, die er im Rat gehalten hatte. Darin hatte Mol die Einrichtung neuer Kita-Plätze, über die der Rat beschließen sollte, als Angriff auf die Grundlagen der Verfassung bezeichnet. Dies war auf Unverständnis und deutliche öffentliche Kritik gestoßen. Mol hatte behauptet, dass neue Kita-Plätze die Wahlfreiheit von Eltern, die ihr Kind lieber zu Hause betreuen würden, sowie die Arbeit von Tagesmüttern gefährdeten. In einer Pressemitteilung zu einem Rücktritt bedauerte Mol dann seine Äußerungen und bezeichnete seine Rede im Rat im Nachgang selbst als „grottenschlecht“. Er habe aber nicht seine persönliche Meinung, sondern die Mehrheitsmeinung der Partei vertreten. Seine Mitgliedschaft in der AfD beendete er kurze Zeit später ebenfalls, nach eigener Aussage aufgrund mangelnder parteiinterner Solidarität.

Später fanden Mol und sein Ratskollege Martin Schiller sich wieder zur Ratsgruppe zusammen. Der Ratsgruppenstatus ermöglichte ihnen Zugriff auf eine finanzielle Förderung von jährlich 79.000 Euro. Einige Jahre später folgte dann jedoch ein noch größerer Streit. Zunächst war Mol für die Kommunalwahl 2020 nur auf Listenplatz 3 gewählt worden. Zwar hatte die AfD großspurig ein Wahlergebnis angekündigt, dass für drei bis vier Mandate reichen würde, aber der Wahltag brachte ein Ergebnis, das viele Beobachter*innen erwartet hatten: Die AfD sackte auf 2,2 Prozent ab und konnte fortan nur noch ein Ratsmandat besetzen. Es folgte eine selbst für AfD-Verhältnisse bemerkenswerte, öffentlich ausgetragene Schlammschlacht zwischen Mol und Schiller – inklusive einer Strafanzeige und einer Unterlassungsklage vor Gericht von Mol gegen Schiller und der Weitergabe von Interna an die Presse.

In diesem Zuge kam unter anderem heraus, dass sich Schiller und Mol selbst als Mitarbeiter ihrer eigenen Ratsgruppe angestellt hatten. So soll alleine Schiller monatlich 1.200 Euro erhalten haben, wobei fraglich blieb, welche Gegenleistungen er dafür erbrachte. Ein Strafverfahren wegen Betrugs wurde zwar eingestellt, ethisch bleibt das Vorgehen der AfDler dennoch äußerst fragwürdig. Stehen bleibt der Eindruck, dass sich hier unter fadenscheinigen Vorwänden die eigenen Taschen gefüllt wurden.

Nachdem Schiller ebenso wie sein Nachrücker Alexander Leschik die AfD verlassen haben, rückte Mol dann doch in den Rat ein. Dort macht er einen schwachen Eindruck. Sachkenntnis oder politisches Geschick sind seine Sache nicht. Stattdessen bewarb er fleißig die Märsche der Corona-Leugner*innen in Münster.
Das einzige, was Mol auszeichnet, ist, dass er durch alle Tiefen und Radikalisierungen der AfD erhalten geblieben ist.

Kandidat im Wahlkreis 85 Münster III – Coesfeld III: Ralf Pöhling

Ralf PöhlingEher im Hintergrund hält sich Ralf Pöhling, der als Beruf Fachinformatiker angibt, wobei er derzeit im Sicherheitsbereich tätig sei. Pöhling kandidierte erstmals 2020 bei der Kommunalwahl für die AfD Münster. Seitdem fungiert er als Bezirksvertreter der AfD in der Bezirksvertretung Münster-Südost.
Über seine Karriere in der Partei lässt sich wenig finden. In einem kurzen, von „Radio Kiepenkerl“ veröffentlichten Video zu seiner Landtagswahlkandidatur äußert er sich nicht zu inhaltlichen Themen. Er legt lediglich dar, er sei Befürworter einer Basisdemokratie. Was er erreichen wolle, hänge ganz davon ab, was die Bürger erreichen wollten. Wer ihn wähle, der wähle quasi sich selbst. Pöhling scheint es sich einfach zu machen, indem er auf den opportunistischen Zug der AFD aufspringt und sich in rechtspopulistischer Manier möglichst bürgernah gibt.

Ein politisches Profil ist in Pöhlings Selbstdarstellung nicht erkennbar. Einblicke in seine politische Verortung bieten hingegen seine zahlreichen Beträge in den Kommentarspalten von rechten Medien wie der „Preußischen Allgemeinen Zeitung“, der„Achse des Guten“ oder „Tichy’s Einblick“. Dort beschreibt er sich selbst etwa als „Libertäre® mit konservativem Einschlag“. In vielen seiner Kommentaren legt er für die AfD typischen rassistischen Erklärungsmuster offen, etwa indem er Kriminalität kausal mit Migration verknüpft. Je multikultureller eine Gesellschaft sei, desto höher sei auch die Kriminalitätsrate, schreibt er etwa unter einem Artikel auf „Tichys Einblick“. In den Kommentarspalten der „Preußischen Allgemeinen Zeitung“ denkt er offen über einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren nach, der notwendig werde könne, weil die Migration nach Deutschland letztlich einen Kriegszustand herbeiführe. Auf diesen Fall müsse man vorbereitet sein. Migrant*innen sind bei Pöhling dann „trojanische Pferde“ und in dieser Logik letztlich feindliche Kämpfer.

Fazit

In der Gesamtschau gibt die AfD Münster vor der Landtagswahl ein desolates Bild ab. Die drei in Münster aufgestellten Direktkandidaten sind entweder überhaupt nicht oder wegen ihrer sagenhaften Inkompetenz und öffentlich ausgetragener Schlammschlachten bekannt. Nachdem die Partei auch unter der Führung ambitionierterer Funktionäre schon in den vergangenen Jahren bei Wahlen keinen Blumentopf gewinnen konnte, wirken die Reste des Ortsverbandes nun schwächer denn je. Das zur Direktkandidatur aufgestellte Personal bestätigt diesen Eindruck.