Auf Basis einer Pressemitteilung der Antifa Hamm
Am 14. Februar fanden im Auftrag des Generalbundesanwalts an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Razzien wegen Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung (§129a StGB) statt. In Hamm wurde nicht nur eine Wohnung, sondern auch die Dienststelle der Polizei im Stadtteil Bockum-Hövel durchsucht. Denn bei dem Beschuldigten Thorsten Wollschläger (50 J.), dem die Unterstützung der terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, handelt es sich um einen Mitarbeiter der Polizei Hamm. Er soll der Gruppe Geld zur Beschaffung von Waffen und Munition zugesagt haben.
Die Mitglieder der von der Polizei nach ihrem Anführer Werner Somogyi benannten „Gruppe S.“ sollen geplant haben, durch „Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens bürgerkriegsähnliche Zustände“ herbeizuführen. Da die Polizei bei den Razzien belastendes Material fand, wurden gegen zwölf Neonazis Haftbefehle erlassen. Auch Thorsten Wollschläger sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Versäumnisse der Polizei Hamm
Nach den Enthüllungen zum „Hannibal“-Netzwerk und dem „hessischen Polizeiskandal“ wird erneut ein Polizeibediensteter mit extrem rechten Gewaltplänen in Verbindung gebracht. Und wieder werden Fragen zum Umgang der Polizei mit ihrem Mitarbeiter laut. Die Polizei Hamm räumte am Freitag zahlreiche Versäumnisse im Umgang mit dem Beschuldigten Wollschläger ein.
So meldeten Bürger*innen bereits 2018 der Polizei, dass Wollschläger zwei Reichskriegsflaggen am Balkon seines Hauses gehisst hatte. Die Kriminalpolizei sah in den Flaggen keinen strafrechtlichen Verstoß, was rechtlich auch in Ordnung geht. Zugleich meldeten sie den Vorfall behördenintern aber nicht weiter, obwohl er klare Hinweise auf die extrem rechte Gesinnung Wollschlägers offenbarte. Auch das Tragen von Kleidung einer extrem rechten Modemarke im Dienst führte nicht zu dienstrechtlichen Konsequenzen. Dass Wollschläger die Europaflagge von seinem Auto abknibbelte, brachte ihm nur eine Ermahnung ein. In Sozialen Netzwerken präsentierte er sich vielfach als „nordischer Krieger“.
Kontakte zur „Nationalistischen Front“
Dies waren jedoch nicht die einzigen Hinweise auf die extrem rechte Gesinnung von Wollschläger. Nach Informationen der Antifaschistischen Aktion Hamm könnte Wollschläger bereits Anfang der 1990er Jahre, und damit vor seiner Ausbildung zum Verwaltungsbeamten bei der Polizei, Kontakt zu Neonazis gehabt haben. Der Name und eine Hammer Adresse des Thorsten Wollschläger finden sich in einer Datei, in der die „Nationalistische Front“ (NF) ihre Mitglieder und Sympathisant*innen verwaltete. Aus dem Eintrag zu Wollschläger geht auch hervor, dass er 50 DM Umsatz mit der NF hatte. Vermutlich hatte er Material im NF-eigenen „Klartext-Verlag“ bestellt.
Die NF, die ihr Hauptquartier in Detmold hatte, war im November 1992 vom Bundesinnenministerium verboten worden. Im Frühjahr 1992 hatte der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a StGB) gegen den NF-Anführer Meinolf Schönborn und 13 weitere Mitglieder eingeleitet. Der NF wurde vorgeworfen ein „Nationales Einsatzkommando“ bilden zu wollen. Bei Hausdurchsuchungen im März 1992 wurden eine Schusswaffe, Munition und Molotow-Cocktails beschlagnahmt. Das §129a-Verfahren wurde später eingestellt.
Weitere Neonazis bei der Polizei Hamm?
Es muss nun zuvorderst geklärt werden, inwieweit Wollschläger seine Zugänge und Befugnisse als Polizeimitarbeiter nutzte, um extrem rechte Gruppen, Personen und Aktivitäten zu unterstützen, beispielsweise dadurch, dass in polizeilichen Informationssystemen nach Daten von politischen Gegner*innen recherchierte. Thorsten Wollschläger war außerdem mit der Erteilung von waffenrechtlichen Erlaubnissen befasst. Auch hier müssen nun sämtliche Vorgänge überprüft werden.
Aktuell hat die Polizei zwei weitere Beamte aus Hamm wegen des Verdachts auf extrem rechte Einstellungen und Aktivitäten als „Prüffälle“ deklariert. Bereits Ende 2016 wurden die „Reichsbürger“-Sympathien eines Hammer Polizeibeamten bekannt. Weitere Beschuldigte im Verfahren gegen die „Gruppe S“ sind als „Reichsbürger“ bekannt. So etwa Ulf Rösener und Thomas Niemann, die beiden inhaftierten Männer aus Porta Westfalica bzw. Minden, denen die Behörden deshalb den kleinen Waffenschein untersagten bzw. entzogen.
Terroraufrufe in Sozialen Netzwerken (Update)
Am 28. Februar 2020 berichtete der SWR über Postings, die Wollschläger im sozialen Netzwerk VK tätigte. Diese beinhalteten auch Aufrufe zur Gewalt. So soll er wenige Wochen nach Gründung der „Gruppe S“ das folgende Zitat verbreitet haben: „Wir müssen von Zeit zu Zeit Terroranschläge verüben.“ Denn durch das Sterben unbeteiligter Menschen ließen sich Staat und Bevölkerung beeinflussen und lenken.