AfD-Bezirksverband Münster: 75 % gegen Martin Schiller

Wenige Tage vor Weihnachten, am 22. Dezember 2019, kam die AfD in Bottrop zusammen, um einen neuen Vorstand ihres Bezirksverbands Münster zu wählen. Dabei ist nicht nur das Ergebnis dieser Vorstandswahl von Interesse, sondern auch die sich beim Bezirksparteitag abzeichnenden Zerwürfnisse zwischen dem „Flügel“-dominierten Bezirksvorstand und dem Kreisverband Münster um Martin Schiller.

Bezirksverbände sind bei der AfD eine Parteigliederung oberhalb der Kreisverbandsebene, sind diesen aber nicht weisungsberechtigt. Sie sollen lediglich die Tätigkeit der Kreisverbände unterstützen und bei Streitigkeiten innerhalb eines Kreisverbandes vermitteln und gegebenenfalls Ordnungsmaßnahmen verhängen. In NRW existieren fünf Bezirksverbände, die sich an den fünf Regierungsbezirken des Bundeslandes orientieren. Der Bezirksverband Münster ist demnach für die Stadt Münster und die umliegenden Kreise sowie für Teile des nördlichen Ruhrgebiets (Kreis Recklinghausen sowie die Städte Bottrop und Gelsenkirchen) zuständig.

Helmut Birke im Bezirksvorstand

Helmut Birke (l.), 2015 auf einer Kundgebung der "Hooligans gegen Salafisten" in Wuppertal
Helmut Birke (l.), 2015 auf einer Kundgebung der „Hooligans gegen Salafisten“ in Wuppertal

Obwohl die Stadt Münster das Zentrum des sie umgebenden Münsterlandes ist und hier ein aktiver Kreisverband existiert, ist dieser Kreisverband im aktuellen Bezirksvorstands nur mit einem Vertreter repräsentiert: Helmut Birke – doch der hat aktuell gar kein Vorstandsamt in seinem Kreisverband inne, sondern ist bloß ein einfaches Mitglied. Birke gehörte zu den Gründungsmitgliedern der AfD in Münster und war bis 2017 auch ihr Kreisverbandssprecher. Dann wurde er an der Spitze durch den Ratsherrn Martin Schiller abgelöst. Seitdem ist es um das Verhältnis der beiden AfDler nicht mehr besonders gut bestellt.

Birke fungiert als stellvertretender Bezirksverbandsprecher. Diesen Posten teilt er sich mit Dietmar Weinhardt, dem stellvertretender Sprecher des Kreisverbands Recklinghausen, und mit Christian Blex aus Wadersloh. Blex ist nicht nur Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag, sondern steht auch dem AfD Kreisverband Warendorf sowie der AfD-Fraktion im Warendorfer Kreistag vor. Der Klimawandelleugner, den die AfD zu ihrem „umweltpolitischen Sprecher“ im Landtag gekürt hat, ist vor allem dafür bekannt, dass er ein treuer Gefolgsmann des Thüringer AfD-Führers Björn Höcke ist. Wie Blex ist auch der Immobilienunternehmer Steffen Christ aus Recklinghausen ein wichtiger Repräsentant des Höcke-„Flügels“ in Nordrhein-Westfalen. In den vergangenen Jahren nutzten Blex und Christ den Bezirksverband Münster immer wieder als Mittel im innerparteilichen Kampf. So organisierten sie als Bezirksverband im April und November 2018 Veranstaltungen mit Björn Höcke in Ahlen und Bottrop, was bei Teilen des AfD-Landesvorstands für Ärger sorgte.

Machtkampf in der AfD

Steffen Christ (2. v. r.) neben Alexander Leschik (r.) am Rande des AfD-Kreisparteitags am 11. Januar 2020 in Münster

Für Schlagzeilen sorgte Christ dann Anfang 2019, als rassistische und NS-relativierende Äußerungen von ihm aus Whatsapp-Chats bekannt wurden. Christ hatte dort u.a. gesagt: „Ohne einen Bürgerkrieg light wie bei Erdogan wird’s nicht laufen.“ Im März 2019 diskutierte der AfD-Landesvorstand deshalb über einen möglichen Parteiausschluss von Christ, entschied sich dann aber dafür, beim Landesschiedsgericht der Partei eine Ämtersperre zu beantragen. Auch zu dieser kam es nicht. Christ wurde im Dezember erneut als Sprecher des Bezirksverbands gewählt. Dies zeigt, dass die AfD – trotz der Ergebnisse beim Landesparteitag im Oktober in Kalkar, bei dem sich die Opponent*innen von Christ und dem „Flügel“ durchsetzten – weiterhin eine gespaltene Partei ist. Mit dem Bezirksverband Münster, ebenso wie mit dem Bezirksverband Detmold, verfügen die „Flügel“-Leute über feste Bastionen.

Münsters Kreisverbandssprecher Martin Schiller hingegen ist kein „Flügel“-Vertreter. Er unterstützte im innerparteilichen Machtkampf offensiv den jetzigen Vorsitzenden Rüdiger Lucassen, der sich beim Parteitag in Kalkar gegen die „Flügel“-Kandidat*innen Thomas Röckemann und Verena Wester durchsetzte. Die Spaltung im NRW Landesverband gründet sich nicht unbedingt auf inhaltliche Differenzen – auch Martin Schiller hat wiederholt bewiesen, dass er selbst eine aggressive Rhetorik nutzt und völkisch-nationalistische sowie rassistische Positionen vertritt. Innerparteiliche Macht, persönliche Animositäten und verschiedene Auffassungen über die richtige Strategie sind die Gründe für die Spaltung.

75 % gegen Martin Schiller

Um die Macht wird innerhalb der AfD mit harten Bandagen gefochten. So war Martin Schiller einer der treibenden Kräfte, die versuchten Steffen Christ nach dem Bekanntwerden von dessen Whatsapp-Äußerungen aus der Partei zu drängen. Die „Flügel“-Leute schlagen nun ihrerseits zurück. Beim Bezirksparteitag in Bottrop legte Dennis Dinter, ein nun in der Security-Branche arbeitender Hauptfeldwebel d.R. und Mitglied im Vorstand des Kreisverbands Warendorf, einen Antrag vor, in dem Martin Schiller aufgefordert wird, „von seinen Ämtern als Stellvertetender Sprecher des Landesverbands NRW sowie als Kreissprecher des Kreisverband Münster zurückzutreten und sein Mandat im Rat der Stadt Münster niederzulegen, um die Partei vor weiteren Schäden in der Öffentlichkeit zu bewahren.“ Als Begründung wird Schillers Verurteilung wegen Körperverletzung vom November 2019 angeführt.

Der Antrag gegen Schiller fand mit 75 % Zustimmung tatsächlich die deutliche Mehrheit der Teilnehmenden des Bezirksparteitags. Konkrete Folgen dürfte er aber nicht haben, denn der Bezirksverband kann Schiller nicht zwingen, von seinen Ämter zurückzutreten. Es ist vielmehr eine öffentliche Ohrfeige für den Münsteraner, die zeigt, wie wenig Rückhalt er im Bezirk hat.

Die „Flügel“-Leute sind sich nicht zu schade, Vorwürfe gegen Schiller ins Feld zu führen, die diesem ansonsten von Seiten antifaschistischer Kritiker*innen gemacht werden. So erwähnt der Antrag als Beispiele für parteischädigendes Verhalten, Schillers antisemitisch konnotierte Angriffe auf den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Münster sowie seinen Vergleich von Greta Thunberg mit einer Funktionärin des „Bundes Deutscher Mädel“. Natürlich nutzen die „Flügel“-Leute ansonsten selbst genau dieselbe Rhetorik, die sie bei Schiller beklagen – siehe beispielsweise Steffen Christ. Um was es ihnen tatsächlich geht, wird dann am Ende des Antrags deutlich. Dort heißt es, Schiller habe zu den Unterzeichnern des „Appell der 100“ gehört, in dem Björn Höcke öffentlich attackiert worden sei und habe zeitweise als Funktionsträger der „Alternativen Mitte“ fungiert. „Spätestens jetzt wird klar, dass er seinen Ansprüchen an andere wohl selbst nicht gerecht werden kann oder will“, heißt es im Antrag. Und weiter: „Leider ist Herr Schiller wohl nicht bereit, selbst die einzig ehrenvolle und notwendige Konsequenz seinem Fehlverhalten zu ziehen (sic!), um Schaden von der Partei abzuhalten. Deshalb muss der Parteitag ein klares Signal setzen, dass wir als Rechtsstaatspartei der bürgerlichen Mitte keine verurteilten Straftäter in Ämtern und Mandaten dulden.“

Bezirksvorstand in „Flügel“-Hand

Die gewählten Vorstandsmitglieder des AfD Bezirksverbands Münster

Der Bezirksvorstand ist fest in Hand von „Flügel“-Getreuen. So wurde als Schatzmeister Joachim Multermann gewählt, der dieselbe Funktion in Blex‘ Kreisverband Warendorf inne hat. Als Beisitzer*innen wurden gewählt: Martin Jansen, Ratsherr der AfD im Rat der Stadt Gelsenkirchen; Lutz Wagner, Sprecher des Kreisverbands Recklinghausen; Jens Kellmann, Verantwortlicher des de facto nicht arbeitsfähigen AfD Kreisverbands Coesfeld; Florian Elixmann vom ebenso wenig aktiven AfD Kreisverband Steinfurt und Mitglied der Burschenschaft der Pflüger Halle zu Münster; der Polizeikommissar Martin Myhre, stellvertretender Sprecher der AfD Borken; sowie Beate Porada, Unterzeichnerin der „Erfurter Resolution“, dem „Gründungsdokument“ des „Flügels“. Dazu passt ins Bild, dass der Bezirksparteitag von einem weiteren glühenden Höcke-Verehrer und schamlosen Hetzer geleitet wurde: Theo Gottschalk. Er war Anfang des Jahres mit einem Parteiausschlussverfahren belegt worden, das ebenfalls nicht zu seinem Ausschluss führte. Auch er ist ein Intimfeind von Martin Schiller.