Gastbeitrag – übernommen vom Blog „Falsch verbunden“
Mitte Juni kamen die Mitgliedsbünde der Deutschen Burschenschaft (DB) zu ihrer jährlichen Verbandstagung in Eisenach zusammen. Bereits im Vorfeld hatten rassistische Anträge für Wirbel gesorgt: Sie forderten u.a. den Ausschluss der Burschenschaft Hansea zu Mannheim aus dem Verband, weil diese einen Verbindungsbruder zum Mitglied habe, der, obwohl in Deutschland geboren und Inhaber eines deutschen Passes, ihnen nicht deutsch genug aussieht. Er hat chinesische Eltern. Nach Ansicht vieler DB-Mitgliedsbünde machen nur „Abstammung“ und „deutsches Blut“ einen richtigen „Deutschen“ – ein durch und durch rassistisches Konzept.
Wer ist Teil des „deutschen Volkes“?
Burschenschaften geben sich gerne elitär. Längst kann nicht jeder Studierende Mitglied einer Verbindung werden. Frauen sind in den formellen Männerbünden von vorne herein ausgeschlossen. Im 19. Jahrhundert war der Kampf gegen das Studium von Frauen ein zentrales politisches Anliegen der Burschenschaften. Geblieben ist heute eine antifemistische Programmatik, die von Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung wenig wissen will. Doch auch längst nicht alle Männer dürfen Teil des Lebensbundes werden. Wer seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hat oder keinen deutschen Pass besitzt, muss seit jeher draußen bleiben.
Die Einwanderungsgesellschaft stellt den nationalistischen Verband aber vor neue Probleme. Dürfen Kinder von EinwanderInnen Mitglied werden? Diese Frage treibt die Burschenschaftler um. Es geht dabei um „Verbindungsbrüder“ wie den Mannheimer Kai Min Au, der bekennt „in bin stolz als Wehrdienstleistender meinem Vaterland gedient zu haben, und ich bin stolz Deutscher zu sein.“ Verbindungen wie Au`s Hansea zu Mannheim definieren Volk und Nation im Sinne einer „Kulturnation“. Ihnen reicht die deutsche Staatsangehörigkeit und die „persönliche Identifizierung mit der Nation“ aus, um ein Mitglied in ihre „Gemeinschaft deutscher Patrioten“ aufzunehmen. Dabei berufen sie sich auf den Artikel 9 der Verfassung der DB, der regelt, was der Verband unter Volk versteht. Dort heißt es: „Unter dem Volk versteht sie die Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches Schicksal, gleiche Kultur, verwandtes Brauchtum und gleiche Sprache verbunden ist.“
„Ariernachweis“ gefordert
Genau dies sehen vor allem diejenigen Verbindungen, die in der einflussreichen innerverbandlichen Arbeitsgemeinschaft „Burschenschaftliche Gemeinschaft“ organisiert sind und den rechten Flügel der DB prägen, anders. Sie machen sich für einen „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ stark, der die „gleiche Abstammung“ der Mitglieder eines Volkes betont. Sie befürchten, dass das völkische Nationsverständnis, das die Burschenschaft seit ihrer Gründung prägt, aufgegeben wird. Die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn, bekannt für ihre große Nähe zur extremen Rechten, stellte deshalb den Antrag, der Burschentag in Eisenach möge beschließen, „dass das in Artikel 9 Satz 2 der Verfassung der Deutschen Burschenschaft genannte Merkmal des gleichen gemeinsamen Schicksals eine deutsche Abstammung beinhaltet.“ In ihrer Begründung führten sie an, dass „die Zugehörigkeit zu einer geschichtlichen Schicksalsgemeinschaft und somit zu einem Volk nur durch eine gleiche bzw. gleichartige Abstammung vermittelt werden kann.“ Eine „nichteuropäische Gesichts- und Körpermorphologie“ weise auf die „Zugehörigkeit zu einer außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung und damit auf eine nicht-deutsche Abstammung“ hin. Das ist Rassismus, wie er offener nicht formuliert werden kann.
In einem weiteren Antrag forderten die Raczeks dann den Ausschluss der Burschenschaft Hansea, weil es „besonders in Zeiten fortschreitenden Überfremdung“ nicht hinnehmbar sei, „dass Menschen, welche nicht von deutschem Stamme sind, in die Burschenschaft aufgenommen werden.“ Rückendeckung bekommen die Rassisten dabei von einem im November 2010 veröffentlichten Gutachten des „Rechtsausschusses der Deutschen Burschenschaft“, das sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt, wer Teil des „deutschen Volkes“ ist und damit in die Burschenschaft aufgenommen werden kann. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass das „deutsche Volk“ eine „Abstammungsgemeinschaft“ ist, der es zudem nicht gelungen sei, eine „einheitliche deutsche Staatsnation zu bilden“. Das „deutsche Volk“ lebe auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich sowie in den „noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschlossenen deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa“. Diese Position ist die Grundlage dafür, dass in der Deutschen Burschenschaft ganz selbstverständlich auch österreichische Bünde Mitglied sind und dass die bestehenden deutschen Grenzen immer wieder in Zweifel gezogen werden. Der revanchistische Anspruch der DB drückt sich in Veröffentlichungen aus, in denen Deutschland in den Grenzen von 1937 dargestellt wird. Deutlich formuliert das Gutachten auch, wer nicht zum Volk dazugehören darf: „Personen, mit mehrheitlich außereuropäischen Vorfahren“. Bestehen bei einem Bewerber Zweifel an seiner „Volkszugehörigkeit“, dann solle er einer Überprüfung unterzogen werden. Das Gutachten legt genau fest, wann eine Überprüfung zu erfolgen habe:
„1.Bei einem Bewerber, der nicht dem deutschen Volk angehört.
2. Bei einem Bewerber, dessen Eltern nicht beide dem deutschen Volk angehören.
3. Bei einem Bewerber, dessen Eltern zwar deutsche Volksangehörige sind, der selbst aber einem anderen Volk angehört.“
Nicht zu Unrecht schrieb deshalb der SPIEGEL, die DB wolle den „Ariernachweis“ einführen. Die Positionen des Rechtsausschuss und der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ unterscheiden sich in keinster Weise von der Auffassung der NPD, die behauptet: „Deutscher ist, wer deutscher Herkunft ist und damit in die ethnisch-kulturelle Gemeinschaft des deutschen Volkes hineingeboren wurde. … Ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung bedruckten Papiers (des BRD-Passes) ja nicht die biologischen Erbanlagen verändert, die für die Ausprägung körperlicher, geistiger und seelischer Merkmale von Einzelmenschen und Völkern verantwortlich ist.“
Rechter Lebensbund
Da verwundert es nicht, dass die Deutsche Burschenschaft wegen ihrer ideologischen Ausrichtung für NPD-Mitglieder und andere Neofaschisten attraktiv ist. In der Tat sind einige NPD-Funktionäre akzeptierte Burschenschafter. Das rassistische Gutachten stammt aber nicht aus der Feder eines NPDlers, sondern wurde von Dr. Hans Merkel verfasst. Der 77-jährige ist Mitglied der CSU und hatte es in der Politik weit gebracht. Er war Ministerialdirigent des Bundestages und Büroleiter des früheren Bundestagspräsidenten Richard Stücklen. Die DB charakterisiert, dass ihre Mitglieder sowohl aus Parteien wie FDP, CDU/CSU und eher seltener der SPD stammen als auch aus den Organisationen der extremen Rechten. Sie ist ein rechtes Sammelbecken, dass vom Konservatismus bis zum Neonazismus reicht. So stellte die Verbandszeitung in ihrer Rubrik „Burschenschafter in den Parlamenten“ die beiden NPD-Abgeordneten Jürgen Gansel und Arne Schimmer neben dem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Hans-Peter Uhl (CSU) vor. Letzterer ist als innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eigentlich für die Bekämpfung des „Rechtsextremismus“ zuständig, gehört aber selbst einem Verband an, der einen völkischen Nationalismus vertritt.
Ausgang des Burschentags
Vor dem Burschentag wurden auf Indymedia zahlreiche interne Dokumente der DB veröffentlicht, unter ihnen auch die angeführten Anträge und das Rechtsgutachten. Die öffentliche Diskussion über den Rassismus in der DB führte dazu, dass die Raczeks ihren Antrag zurückzogen. Nach der Tagung war der DB-Pressesprecher bemüht, die Veranstaltung als Erfolg zu verkaufen und die angeblich liberale Ausrichtung seines Verbandes zu betonen. In Wirklichkeit schlitterte die DB knapp an ihrer Spaltung vorbei. An dem Abend, als Kai Min Au im Präsidium saß, verweigerten die Mitgliedsbünde bis auf wenige Ausnahmen das Chargieren, das feierliche Auftreten der Mitglieder in Farben und mit Säbel. Ein eindeutiges Zeichen ihrer Ablehnung.
Burschenschaft Franconia zu Münster
Von den zahlreichen Studentenverbindungen in Münster sind lediglich zwei Burschenschaften und nur eine, die Franconia zu Münster, gehört noch dem Dachverband DB an. Die andere, die Burschenschaft der Pflüger Halle zu Münster, verließ die DB aufgrund deren Rechtsrutsches bereits Mitte der 1990er Jahre. Die Franconia zu Münster ist eine schlagende Verbindung, die das Fechten der Mensur als „ein unverzichtbares, freiwillig auf sich genommenes Zeichen der Einsatzbereitschaft“ versteht. Jeder Bundesbruder zeige damit, „daß er für seine Verbindung auch den ‘Kopf hinhält’. Die Franconia versteht sich als politischer Verband, dessen Leitspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland“ ist. Dass bei der Franconia wenig Berührungsängste zur extremen Rechten bestehen, wurde immer wieder deutlich. Als 1998 die „Wehrmachtsausstellung“ in Münster gastierte, verteilten Franconen Flugblätter, die sich gegen die Austellung und für die Ehrenrettung der im Vernichtungskrief eingesetzten Wehrmachtssoldaten aussprachen. 2003 solidarisierte sich die Burschenschaft dann mit dem wegen antisemitischer Äußerungen in die Kritik geratenen CDU-Politiker Martin Hohmann. Einige Zeit wohnte auch der damalige Landesvorsitzende der NPD-Jugendorganisation auf dem Franconia-Haus an der Himmelreichalle. Erst nach massiven öffentlichen Protest trennte man sich von dem Neonazi. Im Januar 2008 sollte Gerd Schultze-Rhonhof anlässlich des „Reichsgründungskommers“, einer jährlichen Veranstaltung zum Gedenken an die 1871 erfolgte Ausrufung des Deutschen Reiches durch den preußischen König Wilhelm I, referieren. Der ehemalige Brigadegeneral Rhonhof gilt wegen seiner revisionistischen Thesen als „Kronzeuge der Neonazis“, behauptet er doch in seinem Buch „Der Krieg, der viele Väter hatte“, dass nicht Nazi-Deutschland Schuld am Zweiten Weltkrieg war, sondern sich lediglich gegen die Kriegspläne seiner Nachbarn zur Wehr setzte. Das Buch liegt mittlerweile in der 6. Auflage beim Olzog-Verlag vor. Erst die öffentliche Skandalisierung durch die Antifaschistische Linke Münster führte dazu, dass die Franconia das Referat „aus Krankheitsgründen“ absagte.
Die Franconia und der „Ariernachweis“
Die Franconia gehört innerhalb der Deutschen Burschenschaft der Unterorganisation der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“, also dem extrem rechten Flügel an. Sie unterstützte noch im Juni diesen Jahres eine “Erklärung zum volkstumbezogenen Vaterlandsbegriff” der Raczeks in den “Burschenschaftlichen Blättern” 2/2011, in der “die unterzeichnenden Burschenschaften ihren Protest gegen jede Bestrebung, die Abstammung als notwendige Voraussetzung deutscher Volkszugehörigkeit allgemein oder in Einzelfällen für entbehrlich zu erklären” ausdrücken. Ganz im Sinne des aktuellen Antrags zur Forderung eines “Ariernachweises” wird hier der “volkstumsbezogene Vaterlandsbegriff” als unerlässliches Kriterium genannt, welches zum “innersten Wesen” der Burschenschaften gehöre und sie von den übrigen gewöhnlichen Korporationen abhebe. Ganz klar wird hier auch von den Burschenschaften selbst die geschichtliche Dimension dieses völkischen Vaterlandsbegriffs aufgezeichnet und positiv besetzt, indem sie dessen Aufgabe als “Verrat an der burschenschaftlichen Geschichte und Überlieferung” bezeichnen und sich “zum deutschen Volk als Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft” bekennen.
Gegenüber der Münsterschen Zeitung versuchte sich Dr. Christian Faltin, Vorsitzender der „Alten Herren“, nun jedoch zu distanzieren. In seiner Burschenschaft gebe es keine Diskussion zu dem umstrittenen Antrag, überhaupt habe er von dem Thema erst aus den Medien erfahren. Das ist wenig glaubhaft, schließlich wird die Debatte um die Aufnahmekriterien der DB schon seit über einem Jahr geführt, ganz abgesehen von der oben erwähnten Erklärung in den “Burschenschaftlichen Blättern”. Und: Die Franconia steht inhaltlich voll und ganz hinter der völkisch-rassistischen Ausrichtung, die dem Antrag zu Grunde liegt. Denn laut Faltin ist „nicht der deutsche Pass, sondern die Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis“ das entscheidende Kriterium. Der Mannheimer Burschenschafter wäre nicht in die Franconia aufgenommen worden, zitiert ihn die MZ. Anders als die Chilenen, die Mitglied in der Franconia sein dürfen, weil ihre Vorfahren von Deutschland nach Chile ausgewandert seien, gehöre dieser nicht zum „deutschen Volk“. Die Franconia zu Münster hat den umstrittenen Antrag gar nicht nötig, bei ihr ist der „Ariernachweis“ gängige und nicht hinterfragte Praxis.
AutorInnen: Antifaschistische Linke Münster, August 2011
zuerst veröffentlicht in: Antifa-Print #8