Münster als Wohlfühlort für Antifeminist:innen? „Frauenkongress“ von AfD-nahen Netzwerken

Ein Gastbeitrag von Antifa Linke Münster, Eklat Münster und Fantifa Münster.

Am 11. Juni soll in Münster ein „Frauenkongress“ der Gruppe Lukreta stattfinden. Was sich im ersten Moment mit einer feministischen Veranstaltung verwechseln lässt, soll an dieser Stelle in seinen antifeministischen, rassistischen und extrem rechten Kontext eingeordnet werden.

Beworben wird der Kongress von der extrem rechten Gruppe Lukreta, die räumliche Infrastrutktur stellt aber die AfD und auch ein Blick auf die involvierten Akteur*innen und Referentinnen verweist auf deren Partei-Netzwerke. Der Kongress soll im LWL-Landeshaus stattfinden, in dem die AfD über ihre Fraktion im LWL-Parlament Zugriff auf Räume hat. Die Anmeldung läuft laut Werbung über Irmhild Boßdorf, die derzeit stellvertretende Kreissprecherin der AfD Rhein-Sieg. Sie trat 2020 zur Bundestagswahl als Direkt- und Listenkandidatin an und ist seit April 2018 Wissenschaftliche Mitarbeiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Rüdiger Lucassen in seinem Wahlkreisbüro in Euskirchen.

„Kinderkongress“ 2021

Im Sommer vergangenen Jahres, am 14.August 2021, veranstaltete die AfD-Fraktion des LWL-Parlaments in Münster einen sogenannter „Alternativer Kinderkongress“. Auch dieser wurde durch die als Mitveranstalterin geführte Lukreta beworben. Auch dieser Kongress fand im LWL-Landeshaus statt. Laut Selbstbeschreibung sollte im Rahmen der Veranstaltung “Mediale Aufmerksamkeit über unbequeme Wahrheiten” generiert werden. (1) Es kamen nur rund 20 Teilnehmende zu dem „Kongress“ und auch die mediale Resonanz blieb größtenteils aus.

Unter dem Stichwort des Kinder- und Gewaltschutzes wurden bei dem Kongress die rassistischen und antifeministischen Grunderzählungen der AfD und ihres Umfeldes kundgetan. So propagierten verschiedene Redner*innen der AfD NRW und der Jungen Alternative NRW wie etwa Maximilian Kneller, Sven Tritschler, Tam Hong, Enxhi Seli-Zacharias oder Sascha Menkhaus, dass sexualisierte Gewalt an Kindern in heteronormativen Kleinfamilien seltener vorkomme, sprachen sich für Abtreibungsverbote aus und schwadronierten über angebliche Frühsexualisierung und eine vermeintliche Islamisierung, die zu mehr sexualisierter Gewalt und Gewalt gegen Kinder führe. Es ging bei der Veranstaltung also im Grunde wenig um Kinderschutz und viel darum, dass die AfD einmal mehr ihre antifeministischen, homofeinldichen und rassistischen Positionen zu platzieren versuchte. Ähnliches ist auch für den nun angekündigten „Frauenkongress“ zu erwarten.

Extrem rechte „Frauenrechtlerinnen“ – Die Gruppe Lukreta

Lukreta wurde im Sommer 2019 von Reinhild Boßdorf und einer Handvoll weiteren extrem rechter Aktivistinnen gegründet und ist eine Nachfolgeorganisation der gescheiterten 120 Dezibel Kampagne der „Identitären Bewegung“ (IB). Reinhild Boßdorf ist die Tochter der oben genannten Irmhild Boßdorf. Die Gruppe ist vor allem im Rheinland aktiv und tritt immer wieder durch kleinere Aktionen in Erscheinung, die sie auf ihrem Youtube-Kanal dokumentiert. Zudem sind sie bei Telegramm und Instagram öffentlichkeitswirksam aktiv.

Reinhild Boßdorf war bei der IB bundesweit und vor der Gründung von Lukreta als Leiterin der extrem rechten Kampagne 120 Dezibel in NRW, vor allem im Rheinland, aktiv. 120 Dezibel war, ähnlich wie nun Lukreta, eine Kampagne, die ausschließlich Gewalttaten von migrantischen Männern gegen Frauen und Mädchen skandalisierte. Boßdorf, die in Siegen Soziale Arbeit studiert, ist außerdem Mitglied der Jungen Alternative (JA) und trat bei der Kommunalwahl 2020 für die AfD im Rhein-Sieg-Kreis an. Sie schreibt für das extrem rechte Magazin „Krautzone“ und ist bekannt als rechte Influencerin. Eine Recherche von Correctiv weist auf ihre Verbindungsfunktion im Netzwerk extrem rechter Bloger:innen hin. (2)

Die Aktivistinnen von Lukreta behaupten, sich für Frauenrechte und „gegen die Verdrängung der Frau aus dem öffentlichen Raum“ einzusetzen. Die Gruppe thematisiert in ihren Aktionen Fälle von Morden und Vergewaltigungen an meist jungen Frauen und betreibt dabei ein ausschließlich rassistisches Framing. Sie hetzten gegen eine angebliche Islamisierung, gegen Migration, diffamieren die Black-Lives-Matter-Proteste und versuchen diese mit dem hashtag #femalelivesmatter zu konterkarieren.
Die extrem rechte „Frauenrechtlerinnen“ inszenieren sich als kämpferische Tabubrecherinnen für eine vermeintlich gerechte Sache. Sie ethnisieren sexualisierte Gewalt und behaupten, durch ihre rassistische Deutung als einzige die tatsächlichen Probleme zu benennen. Auf dieser Grundlage beanspruchen sie für sich, im Gegensatz zu feministischen Gruppen und Bewegungen die wahren Kämpferinnen für Frauenrechte zu sein.

Das Engagement zum Thema Frauenrechte mag vielfach auf den ersten Blick vergleichsweise unverdächtig erscheinen. Doch mit in diesem Themenfeld platzierter extrem rechter Ideologie und Agitation lässt sich bestens an einen Konsens der gesellschaftlichen Mitte anschließen.

Was sich bei einem flüchtigen Blick auf die Auftritte von Lukreta und anderen extrem rechten Aktivistinnen in den sozialen Medien vordergründig vielleicht mit feministischen Forderungen verwechseln lässt, enthält die üblichen extrem rechten rassistischen wie antifeministischen Forderungen nach homogenen Gemeinschaften und patriarchalen Geschlechterbildern.

Ethnisierung sexualisierter Gewalt und Antifeminismus – Keine feministische Intervention

Als Grund für Gewalt gegen Frauen in dieser Gesellschaft werden Migrationsbewegungen angeführt, nicht etwa patriarchale Strukturen in der Gesellschaft. Gewalttaten, die von herkunftsdeutschen Männern begangen werden sind den angeblichen Frauenrechtlerinnen von Lukreta keine Erwähnung wert und patriarchale Strukturen werden, wenn überhaupt, nur in Hinblick auf nicht-europäische Gesellschaften angeprangert. Das Begehen von sexualisierten Gewalttaten wird in rassistischer Manier den „Anderen“ zugeschrieben.

Die Forderungen der rechten Aktivistinnen speisen sich entsprechend aus ihren rassistischen Weltbildern. Sie fordern eine Begrenzung von Migration und streben das völkisch-rassistische Ideal einer homogenen Gesellschaft bzw. Gemeinschaft an. Dann, so suggerieren die Aktivistinnen von Lukreta und ihre Anhänger*innen in völliger Ignoranz der Realitäten hinsichtlich sexualisierter und patriarchaler Gewalt, seien Frauen in Deutschland wieder sicher.

Patriarchale Geschlechterbilder in den eigenen Reihen und in europäischen Gesellschaften erscheinen in der Logik extrem rechter „Frauenrechtlerinnen“ nicht als Teil des Problems, sondern werden in der Regel absurderweise sogar als Teil einer Lösung dargestellt: „Deutsche“ Männer sollen durch Stärke, dominantes Auftreten und Gewalt „ihre“ Frauen beschützen können. Männlichkeitsentwürfe, die von solch toxischen hegemonialen und kriegerischen Männlichkeitskonstrukten abweichen, werden als unzulänglich erachtet, weil sie ihre Beschützerrolle nicht ausfüllen könnten. Dass exakt solche Männlichkeitsvorstellungen Gewalt gegen Frauen* in erster Linie hervorbringen, wird hingegen verleugnet.

In Reinhild Boßdorfs Youtube-Format „rein weiblich“ erfährt man zudem, dass sie Sexismuserfahrungen, die Frauen in ihrem Alltag machen, entweder schlichtweg negiert oder den betroffenen Frauen selbst die Verantwortung dafür zuschiebt, dass sie etwa in ihren Social-Media-Accounts sexistische Kommentare, Beleidigungen oder Bedrohungen erleben.

Ebensowenig wie bei der Vorgänger-Kampagne 120Dezibel handelt es sich bei Lukreta um eine feministische Intervention. Nicht das Geschlechterverhältnis ist ausschlaggebend für die Kritik, sondern die rassistische Konstruktion. Gleichzeitig greifen sie gesellschaftlich virulente Fragen auf: Die Doppelbelastung von Frauen stellt ein zentrales Problem der kapitalistischen Gesellschaft dar. In der extrem rechten Ideologie wird die Belastung über eine Re-Traditionalisierung und Biologisierung von Geschlechterrollen aufgelöst. Mutterschaft spielt in der Selbstdarstellung der Lukreta-Aktivistinnen eine zentrale Rolle. „Dem Feminismus“ wird die Schuld für den herbeifantasierten Zerfall der Familie und der angeblichen Krise der Weiblichkeit zugeschrieben. Über den verkürzten Rückgriff auf gesellschaftliche Missverhältnisse versuchen extrem rechte Frauen in breitere Kreise zu wirken und an den gesellschaftlichen Antifeminismus anzuknüpfen. Bürgerliche Lippenbekenntnisse zu emanzipatorischen Idealen bei gleichzeitiger Verschärfung der Krise der Reproduktion bieten den rechten Scheinlösungen dabei den gesellschaftlichen Nährboden.

Umso wichtiger ist es deswegen, klarzustellen: Nichts von dem, was die extrem rechten Aktivistinnen von Lukreta machen, hat auch nur Potenzial, die Rechte von FLINTA* zu stärken.

Unbekannte bis Bundestagsabgeordnete über Youtuberin – Die Referentinnen zum „Frauenkongress“

Als Referentin wird in der Ankündigung unter anderem die Youtuberin Charlotte Corday genannt. Die unter diesem Pseudonym auftretende Nina Charlotte Vanmeer gilt als eine, die „früher mal links“ war, weil sie nach eigener Aussage als Jugendliche Nazis doof und „Die Ärzte“ gut fand (3). Sie ist durch ihre Youtube-Videos Teil der extrem rechten Bubble rund um die (Ex-)IB und anderer „neurechte“ Nachwuchs-Faschist*innen aus dem Umfeld des Instituts für Staatspolitik (IfS) oder des Jungeuropa-Verlags geworden. Nach eigener Aussage begann ihr Weg ins rechte Lager mit der Teilnahme an den „Mahnwachen für den Frieden“ im Jahr 2014. Mittlerweils ist sie in Schnellroda angekommen, zumindest als Teilnehmerin an der diesjährigen Frühjahrsakademie des Instituts für Staatspolitik, wie sie in einem aktuellen Youtube-Video berichtet (4).

Die anderen angekündigten Referentinnen, Anna Rathert und Gerrit Huy, sind AfD-Politikerinnen. Rathert ist im Kreis Recklinghausen für die AfD aktiv, firmiert als Rechtsanwältin und trat bisher eher selten öffentlich in Erscheinung, eine Ausnahme war der Bundestagswahlkampf für die AfD in Dorsten. Gerrit Huy ist arbeitsmarktpolitische Sprecherin der AfD im Bundestag. In sozialen Medien tritt sie mit Themen rund um ihren Schwerpunkt Arbeitsmarktpolitik, häufig mit (antimuslimisch) rassistischen Deutungen auf. Sie ist nach eigener Aussage wegen einer “zu liberalen Flüchtlingspolitik” 2017 in die AfD eingetreten. (5). Die Themen, die Lukreta besetzt, spielen in ihren öffentlichen Äußerungen bisher weniger eine Rolle.

Münster – Stadt der antifeministischen Netzwerke?

Münster ist nicht erst seit gestern eine Stadt, in der sich christliche Fundamentalist*innen, radikale Abtreibungsgegner*innen und rechte Antifeminist*innen wohlfühlen. Der 1000-Kreuze-Marsch ist der jährliche Höhepunkt der antifeministischen Vernetzung, die weit über die Stadtgrenzen hinausgeht. Dass der selbst ernannte „Frauenkongress“ nun in Münster stattfinden soll, hängt aber in erster Linie damit zusammen, dass über die AfD-Fraktion im LWL-Landesparlament die Möglichkeit besteht, auf eine Infrastruktur zugreifen, was größere Veranstaltungen für und mit solchen Netzwerken möglich macht.

Verweise:

(1) https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_90902198/spenden-ins-nichts-ein-kinderschutz-phantom-geht-um-in-der-afd.html
(2) https://correctiv.org/top-stories/2020/10/06/kein-filter-fuer-rechts-instagram-rechtsextremismus-frauen-der-rechten-szene/; https://www.belltower.news/rechte-influencerinnen-rechtsextreme-inhalte-schoen-verpackt-120301/; https://koeln.noblogs.org/post/2020/05/10/die-verbindungen-der-identitaeren-bewegung-koeln-mit-der-afd-und-der-koelner-burschenschaft-germania/
(3) https://www.youtube.com/watch?v=j0xKMP3Vxs4
(4) https://www.youtube.com/watch?v=10_iVzaA7SU
(5) https://www.n-tv.de/politik/Die-neue-AfD-Fraktion-und-ihre-Probleme-article22929310.html